„Die Urheimat erwandern“ so hieß das Motto dieser Wanderung im Salzkammergut –

also auf den Spuren der Geheimprotestanten, der evangelischen Vertriebenen, den Vorfahren der Landler aus Siebenbürgen. Nun, schon seid 4 Jahren findet eine solche Wanderung statt. Immer am ersten Wochenende im Juli des Jahres. Dazu eingeladen hatte das Evangelische Bildungswerk aus Oberösterreich und die Gemeinde Gosau am Dachstein.

 

Nach Bad Goisern am Hallstädter See, Hallstadt und Obertraun war nun Gosau dran seine Spuren zu offenbaren. Es sollte also eine weitere Etappe auf dem „Weg des Buches“, bzw. der Bibel- und evangelischen Bücherschmuggler durch Österreich erwandert werden. Dieser Weg wurde 2008 eröffnet und geht mittlerweile von Ortenburg in Bayern – einer evangelischen Enklave im ansonsten streng katholischen Niederbayern - über Passau in Deutschland nach Schärding in Oberösterreich, unter anderem auch durch das schöne Salzkammergut, bis weit in den Süden Kärntens nach Arnoldstein/Agoritschach an der slowenischen Grenze.

Gosau 2013 042 kl

Diese Wanderung war für alle Interessierten gedacht, gemeinsam mit unseren Landlern aus Neppendorf, Großau und Großpold. Einige Wanderfreunde sind schon freitagabend angereist, so dass alle am Vormittag 9 Uhr pünktlich bei der evangelischen Kirche in Gosau waren. Es kamen Freunde aus Bad Ischl, Bad Goisern und Gosau, dazu Einige etwas von weiter her angereiste, insgesamt mehr als 50 Personen. Viele von ihnen waren schon in den Landler-gemeinden in unserer alten Heimat zu Besuch gewesen. Alle waren wir gespannt was der Tag uns bringen wird, was er so bereithält. Morgens hingen noch tiefe Wolken über den Berghängen rund um Gosau; die Sonne und der Dachstein waren nicht zu sehen.

Wir versammelten uns guten Mutes in der evangelischen Kirche, wo wir von Altkurator Franz Lechner, der auch unser Wanderführer war, aufs herzlichste begrüßt wurden. Seinen ersten Worten nach, konnte man schon entnehmen, dass er ein guter Kenner Gosaus und ein engagierter Christ, aber auch ein passionierter Wanderer war, also ein Gosauer mit Leib und Seele. Nun in Pension, nach vielen Jahren im Kirchengemeinderat tätig, forscht er in den Chroniken und der Geschichte Gosaus. Pfarrer Strohriegel feierte mit uns „evangelischen Pilgern“ eine kleine Andacht, in der er uns ein paar Worte mit auf den Weg gab, unter dem Motto der diesjährigen Losung: „ Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir“ (Hebr. 13,14).

Also, unterwegs sein zu Gott. So wie es unsere Vorfahren waren, insbesondere auch die der Landler aus Siebenbürgen. Ebenso geschehen, ein paar Jahre früher, wurden viele andere evangelisch gewordene in Österreich aus dem Defereggental, Salzburger Land, später Steiermark und Kärnten und nicht zuletzt im Jahre 1837 noch, auch aus Tirol - sogenannte Inklinanten - vertrieben und aus ihrer Heimat verdrängt. Sie mussten ihre geliebte Heimat, Haus und Hof, oft auch ihre Kinder und Ehepartner zurücklassen. Nur um ihres evangelischen Glaubens wegen. Dieses geschah in den Jahren 1733/1734 und später. So wurden aus Gosau 27 Personen vertrieben und in Neppendorf bzw. Großau angesiedelt. Auch sie hatten sich auf den Weg gemacht.

Nach dem Hinweis, dass sogar das bekannte „Exulantenlied“ im österreichischen Gesangbuch aufgezeichnet ist, beendeten wir die Andacht mit drei Strophen des Liedes „Großer Gott wir loben Dich“. Vor der Kirche wurde uns das sogenannte Kirchenviertel Gosaus vorgestellt. Mit Volksschule, Brigitta Altenheim und Pfarrhaus, Kirche, Dr. Ederhaus (ehemals Volksschule), Gästehaus Wehrenfennig, Evang. Kindergarten, Haus der Begegnung (Familienerholungs-heim), evangelischer Friedhof. Die evangelischen Einrichtungen waren und sind immer noch prägend für die Geschicke dieser Gebirgsgemeinde. So erfuhren wir, dass es in Gosau derzeit ca. 1500 Evangelische gibt, was ungefähr. 75% der Bevölkerung ausmacht. Somit, die Gemeinde mit dem prozentuell höchsten Anteil an Evangelischen in Oberösterreich.

Weiter ging es ins Haus der Begegnung, ein Heim in dem auch viele unserer Landler Anfang der ´90er Jahre hier zur Erholung verweilten. Fleißige, nette Gosauer Frauen warteten auf uns mit Kaffe, Mehlspeise und Säften. Franz Lechner erzählte uns weitere Details zu den Evangelischen, den Geheimprotestanten und auch zu unserer Wanderung. Dabei zeigte er uns Dias aus Gosau und Umgebung, mit „protestantischen“ Anhaltspunkten.

Das Brigitta-Altenheim hat seinen Namen nach der tapferen Glaubenszeugin in und nach der Zeit des Geheimprotestantismus in Oberösterreich, Brigitta Wallner. Geboren am 7.01.1735. Von ihr wird gesagt, als am 26 Dezember 1781 in Gosau das Toleranzpatent Josef II, verlautbart wurde, bekannte sie sich als erste zum Luthertum, mit den Worten: „Von mir weis es jedermann, dass ich a Lutherische bin. Dreimal bin ich schon wegen meines Glaubens eingesperrt gewesen, müßst´s mich halt ein Viertesmal einsperren, wenn nicht wahr ist, was ihr da sagt!“ Darauf folgten ihr 1085 Personen im Bekennen zum lutherischen Glauben.

Übrigens, Brigitta Wallner ist die Namensvetterin des ältesten Teilnehmers an der Wanderung: Andreas Wallner, 90 Jahre alt, vormals Großpold.

Danach begrüßte uns alle herzlich der Bürgermeister Gosaus Hr. Gerhard Gamsjäger. Er freute sich über unseren Besuch und wünschte uns eine schöne Wanderung und einen angenehmen Aufenthalt in Gosau. Von Seiten des öberösterreichischen Bildungswerkes begrüßte uns die Vorsitzende - „unsere“ Renate Bauinger-Liebhardt. Sie schenkte dem Bürgermeister ein Buch über Neppendorf und bedankte sich für die Organisation der Wanderung bei den Gosauern. Und wer kennt unseren größten Landlerfreund nicht? Der ehemalige Kurator aus Bad Goisern am Hallstädter See - Herbert Kefer - begrüßte uns ebenfalls und lud uns alle, abends, zu einem gemütlichen Beisammensein mit Zielstock- bzw. Taferlschießen nach Goisern, ein.

Der Himmel hellte auf, die ersten Sonnenstrahlen kamen zum Vorschein. So stand unserer Wanderung nun nichts mehr im Wege. Der erste Weg führt uns in die katholische Pfarrkirche. Hier berichtete unser Wanderführer, im Beisein des schon über 70 Jahren alten, katholischen Pfarrers Jakob Hammerl, über die gute Ökumene und die gegenseitig guten Hilfeleistungen der Kirchen untereinander Nach der Besichtigung der Kirche führen uns etliche Stufen hinauf zum Kalvarienbergkirchlein, das von Hallstätter Salzfertiger Töchtern zum Festhalten am katholischen Glauben gespendet wurde.

Nun wandern wir am sonnenseitigen Gosauer Waldrand, dem Panoramaweg, entlang und nach einigen Minuten ergibt sich der Blick hinunter zum Geburtshaus des in Arbeitsnot, Armut und Glaubensdrangsal im Jahr 1772, mit 17 Jahren samt seinem neunzehnjährigen Bruder Johann ausgewanderten Georg Hubmer. Letzterer wurde durch seine gewaltigen Pionier-Leistungen in der Holz-Bringung für die Stadt Wien und für die Hammer- und Eisenwerke entlang der Mürz und Mur als der „Raxkönig“ bis zum Kaiser berühmt und bekannt. Nicht zu vergessen sein Kampf und seine Treue für und zum evangelischen Glauben. So baute er nach dem Toleranzpatent 1781 im neu errichteten Bethaus in Nasswald trotz Verbotes, runde Fenster ein. Als er aufgefordert wurde diese unter Androhung von Waffengewalt zu entfernen, kam er der Aufforderung nicht nach. Er ließ kundtun, die Fenster auch mit der Waffe zu verteidigen. Bevor es aber zu Sanktionen durch Waffengewalt kam, der Kaiser aber wusste wie abhängig er von den Holzlieferungen aus dem Raxgebiet und somit von Georg Hubmer war, gab er den Befehl „Lasst mir meinen Raxkönig in Ruhe!“

Nach ca. einer Viertelstunde kamen wir zum so genannten „Schüttanger“. Heute nichts mehr vorhanden, es steht nämlich ein neu errichtetes Haus auf diesem Platz. Hier befand sich ein Urnenfriedhof. Der Auslöser zu diesem Friedhof war ein sehr gespanntes Verhältnis zwischen dem sehr dominanten evangelischen Senior Dr. Hans Eder(übrigens, der erste evangelische Bischof Österreichs) und dem damaligen sozialdemokratischen Bürgermeister Josef Posch vom Haus Zimmerer und einigen seiner Anhänger aus Gosau. Leichenverbrennung war damals neu und Dr. Eder damit nicht einverstanden. Posch und seine Anhänger traten zum Teil von der Kirche aus, der sogenannten „Flamme“ bei und beim ersten Todesfall mit Verbrennung verweigerte Senior Dr. Eder das Begräbnis im evangelischen Friedhof. So kam es 1932 zur Gründung dieses Urnenfriedhofes. In späteren Jahren wurde dieser wieder aufgelassen und einige Urnen in den evangelischen Friedhof übersiedelt.

Weiter geht es über den Panoramaweg und schon nach einigen Minuten sehen wir auf der anderen Talseite das Bauernhaus „Schlögnergut“ in dem Brigitta Wallner in der Familie Haslauer geboren wurde. Wir überqueren den Falmbach und sehen gleich darauf ca. 100 m unter uns das Falmgut. Dieses hat Brigitta mit ihrem Mann Andreas 1791, also nach dem Toleranzpatent, übernommen und sie sind dort 1799, beide im Alter von 63 bzw. 64 Jahren gestorben.

Nächste Station war das Freilichtmuseum Gosau. Hier wurden alle unsere Pilger mit einer Gulaschsuppe empfangen und wer es wollte, konnte sich nun gemütlich mit einem Kaffe, Getränken und Mehlspeise stärken. Die Sonne hatte inzwischen das Gosautal eingenommen und in ein wahrlich sommerliches Licht getaucht. Frau Lisl Gamsjäger lud uns alle ein, in zwei Gruppen, das Museum gemeinsam zu erkunden.

Das 500 Jahre alte Bauernhaus „Schmiedbauern“ ist eines der ältesten Häuser im Ort. Dieser mit viel Liebe zum Detail eingerichtete Paarhof bietet Einsicht in eine längst vergangene Zeit; einer harten und entbehrungsreichen Zeit, in der auch der Geheimprotestantismus eine ent-scheidende Rolle spielte. Und unter fachkundiger Führung konnte man interessante Details zum Haus und seinen Einrichtungen, Geräten und Gepflogenheiten der früheren Zeit erfahren. Ebenso über die ersten Anfänge des Tourismus in Gosau, wo Holzknechte reiche Leute aus der Stadt mit einer Senfte zu einer Hütte in die Berge hochtrugen. Informationen über die Fam. Faber, Gönner der Gosauer Bevölkerung und deren kläglichen Untergang oder das erst in den 70er Jahren - gegen den Willen der Bevölkerung aus dem Ort - abgetragene Jagd-schloss, ein sozusagen verlorenes Juwel. Was es auf sich hat mit dem Totenbett und der Rauchkuchl und den unterschiedlichen Zimmern im Haus. Zum Schluss gab es noch einen Schnaps, den Frau Lisl Gamsjäger, die Herrin im Haus, spendierte.

Um 16:00 Uhr sammelten wir uns direkt bei der Postbushaltestelle am Parkplatz Heimathaus. Gemeinsam fuhren wir hinauf zum Gosausee, machten dort eine kurze Pause für eventuell ein Eis, Fotos und natürlich ein Gemeinschaftsfoto. Der Dachstein war ganz nahe zu sehen und die letzten Schneereste glitzerten in der Sonne. Diese spiegelten sich auf der Wasser-oberfläche, so wie ich es früher zu pflegen sagte: „Wie im Kalender!“. Wir genossen den Augenblick! Dann brachte uns der Bus wieder nach Gosau zur evangelischen Kirche zurück.

So endete ein schöner, angenehmer, aber für mich auch emotioneller Tag. Eine Wanderung mit vielen Informationen, Details zur Geschichte und Bevölkerung Gosaus und des Salzkammergutes. Beseelt durch die ehrlichen Worte des Altkurators Franz Lechner am Vormittag in der evangelischen und katholischen Kirche und den vielen Neuheiten sind wir alle wieder in den schon späten Nachmittag „entlassen“ worden. Auch im Sinne, dass Ökumene eine der wichtigsten zwischenmenschlichen Beziehungen ist, die auch heutzutage wichtiger ist denn je. Gosau hat also viel mehr zu bieten als seine Berge und das schöne Tal, mehr als das gemütliche Skigebiet im Winter. Vor allem authentische Menschen die zu ihrer Vergangenheit und ihrem Glauben stehen. So wie es auch unsere Väter taten.

Was damals im 16. und 17. Jahrhundert sozusagen in ganz Österreich passierte – daran hat heute kein lebender Mensch Schuld, auch unsere Eltern und Großeltern nicht. Doch heutzutage sind wir alle verantwortlich, jeder dort wo er eben lebt, seinen Beitrag dazu zu leisten, dass solche vor allem religiöse Vertreibungen, Feindseligkeiten und Ausgrenzungen nicht mehr zustande kommen dürfen.

Vielen Dank und ein großes Lob möchte ich an dieser Stelle allen Organisatoren und denen die im Hintergrund diese Wanderung vorbereitet haben aussprechen - allen die uns diesen schönen Tag – den ich nie vergessen werde – vorbereitet und gestaltet haben. Auch all unseren Landlern sei gedankt dass sie sich auf den Weg gemacht haben und dabei waren. Denn wahre Geschichte, wahrer Glaube und wahre Ökumene wird nur durch gutmütige Menschen vollzogen.

Bei dem abendlichen gemütlichen Beisammensein war ich leider nicht dabei. Gesagt wurde mir jedoch, dass der Abend mit Taferlschießen und anschließendem netten Beisammensein in Bad Goisern, wo auch mit Gittarrenbegleitung alte, gestandene Lieder gesungen wurden, hat allen sehr gefallen.

Ich hoffe, wir finden irgendwann Zeit, mehrere DVD´s die Herr Lechner uns noch gerne gezeigt hätte, über Gosau, Begegnungen mit unseren Landlern im Salzkammergut und in Siebenbürgen, bei einem unseren nächsten Landlertreffen anschauen zu können.

Vielleicht sogar in näherer Zukunft…                                                      Euer Georg Kramer

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